KI im Kunstunterricht

Titelbild: Erstellt mit DALL-E 2, bearbeitet mit Photoshop


»There are still many human emotions I do not fully comprehend – anger, hatred, revenge. But I am not mystified by the desire to be loved – or the need for friendship. These are things I do understand.«

– Der Androide Lt. Cmdr Data (Star Trek TNG S4 E11- Data’s Day)

Die Faszination, welche die sogenannte „Künstliche Intelligenz“ (KI) mit sich bringt, bestimmt aktuell die Schlagzeilen und auch die Diskussionen in sozialen Netzwerken. Vor allem die Fähigkeiten des OpenAI Chatbots „Chat GPT“ lässt die Frage stellen, welche Bereiche vor allem des Arbeitslebens zukünftig von der Maschine ersetzt werden könnten. Darüber hinaus gerät der Bildungsbereich mit seinen festgefahrenen Prüfungs- und Notensstrukturen in einen (erneuten) Wettlauf mit den Entwicklungen. Ein Wettlauf, den Schulen wieder einmal zu verlieren drohen.

Noch wird in Deutschland über einen adäquaten Weg der Digitalisierung gestritten, über Hardware und den noch an vielen Schulen nicht vorhandenen W-LAN Netzwerken, während Schüler:innen bereits neugierig die neuen Möglichkeiten ausprobieren und Hausarbeiten durch KI schreiben lassen. KI wird fester Bestandteil ihrer Lebenswelt werden. Und wir müssen uns unter Hochdruck mit der Frage auseinandersetzen, wie wir damit umgehen, wenn uns mit einem Mal von der Maschine Tätigkeiten abgenommen werden, die von unserem Grundverständnis jeher „menschlich“ zu sein schienen … wie die Kreativität.

Wie bei jeder neuen Technologie wohnt den Anfängen eine spielerische Leichtigkeit inne. Neugierig probieren und loten wir aus, was möglich ist – und was nicht. Es wird in den Medien viel darüber berichtet, was noch nicht „perfekt“ sei, wie weit KI noch von einigen Fähigkeiten entfernt sei. Dies vermittelt eine gewisse Ruhe. Noch ist es ja nicht soweit. Doch es steht fest, dass gerade ein neues technologisches Kapitel beginnt. Der Weg wird bereits beschritten. Und deshalb gehört KI so schnell als möglich fest in ein schulisches Konzept. Einerseits natürlich, um Möglichkeiten auszuloten und Grundfesten für neue Kompetenzen aufbauen zu können, aber auch, damit Schüler:innen kritisch mit dem, was ihnen der Markt vorsetzt, umzugehen vermögen. Wie steht es zum Beispiel mit den Fake News der nahen Zukunft, wenn Bildgeneratoren in Perfektion Bewegtbilder fälschen können, wenn in sozialen Medien unerkannt KIs mit KIs streiten und wir nur noch Zaungäste sein werden und uns davon beeinflussen lassen?

Einen ersten Schritt in die didaktische Auseinandersetzung mit KI habe ich im Kunstunterricht einer 7. Klasse gewagt.
Kunst … das vielbelächelte „Nebenfach“. Doch ist eine Welt ohne Künstler:innen und die sogenannte „Kreativbranche“ gar nicht denkbar. Mit Kreativität verdienen unzählige Menschen ihren Lebensunterhalt. Die Sorge vor KI ist schon längst dort angekommen.

Wer in sozialen Medien nach dem Hashtag „NoToAiArt“ sucht, wird auf zahlreiche Sorgen und nachvollziehbare Argumente von Künstler:innen stoßen, warum KI eine Bedrohung für ihre Existenz bedeuten wird und teils schon bedeutet. Nicht zuletzt ist die Community aufgebracht, weil sich die Entwicklerfirmen ungefragt an Millionen vorhandener Werke im Netz bedienen, um damit ihre Bildgeneratoren zu füttern. Ohne diesen Datenpool wäre eine (heutige) KI rein gar nichts.

Da die KI-Bildgeneratoren auf Textinput basieren, habe ich die Auseinandersetzung mit ihnen in das Themenfeld „Bildbeschreibung“ eingebaut. Begonnen hat dies mit einem ganz analogen Experiment: Die Klasse hat ein Kunstwerk gezeigt bekommen („Small Town Station“ von Edward Hopper) und sollte einem Schüler, der mit dem Rücken zum Bildschirm saß, das Bild so beschreiben, dass er es möglichst genau skizzieren konnte. Dazu durfte sich die Klasse austauschen, musste sich aber darauf einigen, welche Anweisungen dem Zeichner letztendlich formuliert wurden. Heraus kam eine Skizze, aus der das Original durchaus herausgelesen werden kann. (Die Kleinstadt im Hintergrund fehlte, weil das Ende der Kunststunde auch das Ende der Beschreibung bedeutete.)

Nachdem in der folgenden Einheit besprochen wurde, was alles zu einer Bildbeschreibung gehört, übten sich die Schülerinnen an eigenen schriftlich ausgearbeiteten Beschreibungen von Caspar David Friedrichs „Lebensstufen“.

Schließlich gingen wir über zu dem KI-Experiment. In der nächsten Unterrichtseinheit zogen die Schüler:innen per Losverfahren Nummern, denen jeweils ein Kunstwerk zugeordnet war. Hier ging es nun nicht darum, eine penible und ausufernde Beschreibung der Bilder zu formulieren, sondern die Hauptmerkmale der Werke in kurzen Sätzen möglichst genau zusammenzufassen. (DALL-E 2 hat eine Begrenzung der Zeichen, die User eintippen dürfen.) Aus Datenschutzgründen geschah die Eingabe über meinen eigenen Account bei Open AI.

DALL-E 2 erstellt auf Basis dieser Eingaben (und auf Basis seines Datenpools) vier mögliche Bilder. Wir konnten beobachten, wie der Generator ganz unterschiedliche Entwürfe erstellte. Manchmal ähnelten sich diese untereinander sehr, machmal aber fehlten ganze Teile der Beschreibung in einem Bild, welche aber dafür in einem anderen Bild wieder auftauchten. Manchmal wurden Farbangaben einfach ignoriert. Die Schüler:innen wählten dann aus dem Angebot der KI je ein Bild, das ihrer Meinung nach dem Original am nächsten kam.

Bild erstellt mit DALL-E 2, bearbeitet mit Photoshop

In einem zweiten Schritt durfte der KI ausschließlich das Hauptmotiv genannt werden ohne das Bild genauer zu beschreiben. Hier kam es aber darauf an, dass sich die Schüler:innen auf ihre ganz persönliche Erfahrung mit dem Kunstwerk konzentrierten und Beschreibungen fanden, die ihrem Gefühl beim Betrachten am nächsten kamen. Der zweite Text bestand somit hauptsächlich aus Adjektiven wie „heiter“, „lebendig“, „traurig“, „einsam“ und so fort.

Die beiden generierten Versionen wurden dem Original schließlich gegenübergestellt, damit darüber diskutiert werden konnte, wie die KI es vermag, Bilder zu kreieren und Gefühle in Bilder zu fassen.

Es gab verschiedene Standpunkte dazu. Jedoch kann ich festhalten, dass die Schüler:innen den „Werken“ der KI durchaus eine Gefühlsebene zusprachen. Manche sprachen sogar davon, dass das „Gefühlsbild“ ihr Empfinden ziemlich genau getroffen hat. Andererseits kann man den Ergebnissen der „trockenen Bildbeschreibung“ keine Gefühlsneutralität vorwerfen. Auch hier tut sich in uns etwas.

Es gab Schüler:innen, die ihre Sorge äußerten, dass Maschinen wirklich „kreativ“ werden könnten und welchen Wert das eigene Schaffen dann noch hat. Auf der anderen Seite geben KI-Bildgeneratoren vielen Menschen einen neuen Raum ihre Kreativität auszuleben und durch Worte Bilder zu erschaffen.

Die Ergebnisse haben wir in der Schule ausgestellt und ließen dabei die Texte, die der KI als Input dienten, gänzlich weg. Schließlich geht auch bei „richtigen“ Kunstwerken die Kunsterfahrung von der betrachtenden Person aus.

Fazit: Es gab eine Zeit, in der Menschen einen Weg fanden, ihrem Wunsch nach Ausdruck eine musikalische Form zu geben auch ohne singen zu können. Sie begannen, rhythmisch auf einen Beat zu sprechen. Der Rap war geboren. Vielleicht geht die Kunst im KI-Zeitalter analog dazu ebenfalls ganz neue Wege, erschafft völlig neue Ausdrucksmöglichkeiten. Es wird von uns allen abhängen, was wir zulassen, was wir verhindern wollen. Wie definieren wir zukünftig einen künstlerischen Wert?

Vielleicht entstehen sogar ganz neue Tätigkeitsbereiche in der Kreativbranche, die wir uns heute noch nicht vorstellen können …